Süchtig nach TikTok
Weltweit nutzen in etwa 1,6 Milliarden Menschen monatlich die App TikTok. Im Grunde unglaubliche Zahlen. Knapp 21 Millionen davon entfallen auf Deutschland – also fast jede vierte Person. Wie viel davon süchtig sind, ist seriös nicht zu beantworten. Dass es die TikTok-Sucht allerdings tatsächlich gibt, das steht außer Frage.
Wir beschäftigen uns im vorliegenden Artikel näher mit dieser Sucht. Zunächst sehen wir uns an, warum manche User überhaupt süchtig werden – und decken auf, mit welchen Mechanismen uns die Entwickler an die App binden möchten. Danach sehen wir uns die möglichen Anzeichen einer Abhängigkeit näher an. Im letzten großen Block zeigen wir dir, wie du eine TikTok-Sucht überwinden und dir ein großes Stück persönliche Freiheit zurückholen kannst.
Du interessierst dich für ein Kapitel im Speziellen? Dann nutze doch das praktische Inhaltsverzeichnis-Feature. Klicke einfach auf die entsprechende Überschrift und spring direkt zum betreffenden Absatz.
Datum: 15. April 2025
Autor: Matthias Wiesmeier
Warum macht TikTok eigentlich süchtig?
Bei TikTok haben wir es mit der aktuell wohl raffiniertesten Social-Media-App überhaupt zu tun. Grundsätzlich unterscheidet sich die Funktionsweise nicht von jener der Konkurrenz. Wie so oft steckt der Teufel allerdings auch hier im Detail. Wir befassen uns in diesem Abschnitt mit beiden Aspekten.
Um nämlich die süchtig machenden Dynamiken hinter TikTok besser verstehen zu können, ist es notwendig, sowohl über die Basics als auch über die Feinheiten Bescheid zu wissen.
Wir beginnen mit den grundsätzlichen Punkten und arbeiten uns dann durch die spezifischen Eigenschaften.
Die Vorgänge in unserem Körper werden von den unterschiedlichsten Dingen beeinflusst und gesteuert. Eine besonders zentrale Rolle spielen unsere Hormone.
TikTok-Sucht: Die physiologischen Grundlagen
- Atmung
- Stoffwechsel
- Kreislauf
- Körpertemperatur
- Salz-/Wasserhaushalt
- Wachstum
Ein besonders wirkmächtiger Botenstoff ist dabei Dopamin, auch als „Wohlfühlhormon“ bekannt.
Dieses wird im sogenannten Belohnungszentrum (Nucleus accumbens) unseres Gehirns gebildet und immer dann ausgeschüttet, wenn wir lang angestrebte Ziele erreichen oder uns die Aussicht auf eine unmittelbare Belohnung zu einer Handlung motiviert.
Das klingt zugegebenermaßen sehr allgemein. Zum besseren Verständnis:
- Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsum
- Konsum von besonders fettem und kohlehydrathaltigem Essen
- Eine Umarmung von Freunden oder Angehörigen
- Sport
- Gaming
- Glücksspiel
- Meditation
- Sonnenbaden

Die Antwort ist relativ einfach. Jedes Like, jeder Kommentar, jeder neue Follower stellt für uns eine Belohnung dar, streichelt unser Ego und gibt uns das Gefühl, geschätzt zu werden. Alle angeführten Social-Media-Aktionen sorgen dafür, dass unser Gehirn in einer Flut aus körpereigenen Drogen badet – denn nichts anderes ist Dopamin.
Entsprechend wollen wir immer mehr und immer stärkere Dosen dieser Drogen. Also müssen wir länger auf Social Media verweilen und spezielle Apps noch intensiver nutzen. TikTok (und andere entsprechende Apps) zielen also auf unsere körpereigenen Abläufe, um uns möglichst lange an den Bildschirm zu fesseln.
Das ist im Grunde nicht verwerflich, handelt es sich dabei um nichts anderes als ein Geschäftsmodell. Mehr Aufmerksamkeit und mehr Interaktion liefern den Werbepartnern ein größeres Publikum und TikTok und Co. wiederum mehr Einnahmen. In diesem Bereich funktioniert TikTok nicht anders als die Konkurrenz.
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts Grundlegendes ändern. Fühlen wir uns gemocht und wertgeschätzt, geht es uns gut. Social-Media-Plattformen vermitteln uns dieses Gefühl. Jeder Like und jeder Daumen nach oben fühlen sich wie eine Bestätigung und eine Umarmung an, die entsprechende Reaktionen in unserem Gehirn auslöst. Es ist auch diese Dynamik, die TikTok und Co. nutzen, um uns an sich zu binden.

TikTok-Sucht: Die speziellen Eigenheiten der App
Neben den klassischen Dynamiken, die von allen Social-Media-Plattformen bedient werden, gibt es noch einige Eigenheiten, die TikTok besonders gefährlich machen bzw. das Suchtpotenzial deutlich erhöhen.
Fear of missing out (FOMO)
Branchenführer wie Facebook oder Instagram setzen auf einen personalisierten News-Feed als Hauptkomponente.
Das heißt, dass den Usern nach dem Einstieg Beitrage von Freunden und gelikten Seiten angezeigt werden. Also eine kleine, selbst zusammengestellte Bubble. TikTok geht einen anderen Weg. Hier gibt es keine „Startseite“ in dem Sinn, sondern man wird gleich direkt mitten hinein in einen niemals endenden Strudel aus Videos geworfen.
Der Algorithmus lernt durch das Verhalten der User, welche Clips er als nächstes ausspielen soll. Dazu kommt, dass er jene Angebote einfügt, die anderen Usern gefallen, welche die von dir gelikten Videos ebenfalls geliket haben.
Das bedeutet: Eine stabile Basis gibt es nicht, der Feed ändert sich mit dem konkreten Verhalten der User. Dadurch entsteht eine gewisse Neugier, was denn nun als nächstes kommen könnte – die Abhängigkeit verfestigt sich. Man hat Angst, etwas zu verpassen (Fear of missing out – FOMO) und swipet automatisch immer weiter zum nächsten Video.
Für Überraschungen gut:
Im selben Wirkungsbereich ist dieser Umstand angesiedelt. Während der Algorithmus mit der Zeit zwar mehr und mehr Videos in den Feed spült, die den Interessen der User entsprechen, gibt es hin und wieder auch einige Ausbrecher. Das heißt, es findet immer wieder ein Clip den Weg auf den Bildschirm, der thematisch überhaupt nichts mit den bisherigen Inhalten zu tun hat. So versucht TikTok, das Interesse seiner Nutzer zu erweitern – um sie noch länger an den Bildschirm zu fesseln.
Rabbit Hole Effekt:
Der Algorithmus von TikTok ist ausgesprochen effektiv darin, dir als Nutzer nur Dinge anzuzeigen, die dir mit hoher Wahrscheinlichkeit gefallen. Weit effektiver als jener der Konkurrenz. Hierin liegt aber eine besondere Gefahr. Durch die Fokussierung auf ein einziges Thema begeben sich User in ein sogenanntes „Rabbit Hole“, also einen Kaninchenbau – aus dem sie selbst nicht mehr herausfinden. Das ist besonders bei eher traurigen Topics problematisch. Wer ohnehin schon unter Liebeskummer oder depressiven Verstimmungen leidet, der erhöht seinen eigenen Leidensdruck durch die selbst herbeigeführte Fokussierung des Algorithmus.
Ja, auch andere Social-Media-Plattformen nutzen bis zu einem gewissen Grad den Rabbit Hole Effekt. So effektiv und umfassend wie TikTok das macht, agieren sie allerdings nicht. Das hier hat schon eine andere Qualität.
TikTok Lite: Eine neue Qualität
Mit TikTok Lite haben die Entwickler eine neue – und noch gefährlichere – Variante der beliebten Social Media App auf den Markt gebracht. Diese Version benötigt weniger Speicherplatz und arbeitet mit weniger Datenvolumen. An sich eine begrüßenswerte Anpassung.
TikTok Lite birgt auch ein deutlich höheres Suchtpotenzial. Es arbeitet nämlich mit einem Belohnungssystem. User sammeln durch Likes und Interaktionen – oder einfach nur durch das Anschauen von Videos – Bonuspunkte, die sie in konkrete Goodies umtauschen können. Zum Beispiel in Amazon-Gutscheine. TikTok-User verdienen mit der App also quasi „reales“ Geld. Ein Feature mit enorm hohem Suchtpotenzial.
Und ein Feature, das die Nutzer (bzw. deren Eltern) zumindest in Europa nicht mehr fürchten müssen. Auf Druck der Europäischen Kommission hat TikTok das Belohnungssystem nämlich dauerhaft ausgesetzt und versprochen, keine „anderen Programme auf den Weg zu bringen, die den Verzicht umgehen“. Bis zum Quasi-Verbot war TikTok Lite in Europa außerdem lediglich in Spanien und Frankreich erhältlich.
Auch wenn TikTok Lite im Endeffekt nicht auf Europa losgelassen wird, zeigt die Episode doch eine Sache ganz deutlich: Die Entwickler suchen nach immer neuen Wegen, um die App-Nutzer noch länger an das Smartphone zu fesseln.
Anzeichen einer TikTok-Sucht
Wir haben bisher viel darüber gelernt, mithilfe welcher Mechanismen TikTok und Co. uns bei der Stange halten. Je umfassender die Bemühungen seitens der App-Entwickler sind, desto höher ist das Suchtpotenzial.
Woran erkennt man nun aber, dass man eine Abhängigkeit von TikTok entwickelt hat? Welche Anzeichen deuten auf eine Sucht hin? Wir haben 11 Punkte gesammelt und in einer Checklist festgehalten.
- Überschreitest du öfter einmal das geplante Zeitlimit für deine TikTok-Nutzung?
- Leiden wichtige Aufgaben wie Schule, Hausarbeit oder Job unter deiner TikTok-Nutzung?
- Leiden soziale Beziehungen und Interaktionen unter deiner TikTok-Nutzung?
- Hast du das Interesse an früheren Hobbys verloren, seit du TikTok nutzt?
- Nutzt du TikTok, um dich zu entspannen oder besser mit unangenehmen Gefühlen klarzukommen?
- Blendest du alles andere um dich herum aus, wenn du TikTok nutzt?
- Wirst du unruhig und reizbar, wenn du TikTok längere Zeit nicht nutzen kannst?
- Hängen dein Selbstwertgefühl und deine Stimmung zu einem markanten Teil von Reaktionen anderer User auf deine TikTok-Inhalte ab?
- Hast du das Bedürfnis, stets über die neuesten TikTok-Trends Bescheid zu wissen?
- Gibst du mehr Geld für In-App-Käufe aus, als du dir leisten kannst?
- Hast du schon einmal erfolglos versucht, deinen TikTok-Konsum einzuschränken?
Je mehr dieser Fragen du mit „Ja“ beantworten kannst, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass du bereits in eine TikTok-Abhängigkeit gerutscht bist.
Wir möchten aber eine Sache ganz klar festhalten: Diese Fragen sind kein standardisierter, medizinischer bzw. wissenschaftlicher Fragebogen. Das Ergebnis steht also auf keiner soliden theoretischen Basis. Es dient lediglich zur Standortbestimmung. Als erste Einschätzung dazu, ob den TikTok-Gebrauch eventuell problematisch sein könnte.
Die Betonung liegt hier außerdem auf „könnte“! Denn nicht jeder, der übermäßig viel Zeit in der App verbringt, ist auch abhängig! Sich selbst hin und wieder neu einzuschätzen und seine Gewohnheiten kritisch zu reflektieren, kann dennoch nicht schaden!
TikTok-Sucht bekämpfen
Die TikTok-Sucht lässt sich im Grunde so behandeln wie jede andere Online-Sucht auch. Es geht dabei um Dinge wie Zeitlimits, technische Sperren, Bewusstseinsbildung – und wenn das alles nichts hilft, den Gang zum Experten.
Reflexion:
Setze dich zunächst mit dir und deinem TikTok-Nutzungsverhalten auseinander. Wo stehst du gerade? Wie sieht der Status quo aus? Gibt es Bereiche, die dir besondere Sorgen bereiten? Was ärgert sich speziell? Erst wenn du dich selbst und deine Verhaltensweisen besser kennst, kannst du überhaupt damit beginnen, Änderungen herbeizuführen. Du musst wissen, wo du stehst und wohin du willst. Dein Smartphone hilft dir übrigens dabei. Du kannst zeitlich detaillierte Nutzungsstatistiken abrufen, die dir genau zeigen, wie viel Zeit du täglich im Durchschnitt mit TikTok verbringst.
Einschränkungen:
Es gibt mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, mit nur wenigen Handgriffen Zeitlimits für die Nutzung von Smartphone-Apps einzurichten. TikTok stellt hier keine Ausnahme dar. Für sich selbst ein entsprechendes Limit festzulegen, ist zwar löblich. Ohne technischer Unterstützung ist ein derartiges Vorhaben aber meist zum Scheitern verurteilt. Eine andere Möglichkeit sind Apps, die den Zugriff in einem von dir zuvor festgelegten Zeitfenster überhaupt sperren.
Deinstallation:
Noch ein Schritt extremer ist die Deinstallation der App. Ja, natürlich kann sie weiter neu geladen werden, allerdings stellt dieser Vorgang eine Hürde dar, die vielen in der Praxis bereits zu hoch ist. Als Zwischenschritt kannst du die App am Morgen deinstallieren, so verringerst du tagsüber die Versuchung. Abends kannst du sie dann wieder installieren, um kurz nach dem Rechten zu sehen und dir deine Dosis zu holen.
Digital Detox:
Wer seltener zu seinem Smartphone greift, der nutzt auch TikTok weniger lange. Somit ist es ein guter Ansatz, das Gerät uninteressanter zu machen und bis zu einem gewissen Grad aus dem Alltag zu verbannen. Um das zu erreichen, gibt es unterschiedliche Wege die wir in einem separaten Artikel erläutern.
Algorithmus zurücksetzen:
Tatsächlich bietet TikTok selbst die Möglichkeit, den Algorithmus zurückzusetzen. Das bedeutet, alle bisher vergebenen Likes etc. verschwinden, der Nutzer beginnt praktisch wieder bei null. So wird zumindest der Fokus vom bereits erwähnten „Rabbit Hole“ genommen und der Blick erweitert. Die angezeigten Inhalte sind weniger interessant. Allerdings lernt der Algorithmus schnell wieder dazu und passt den Feed an.
- Einfache 60 Seiten
- Dient als Anleitung
- Sofort Motivation
- Ideales Geschenk
- Softcover: 19,00 EUR
- E-Book: 9,99 EUR
Was nun?
Im Grunde bedient sich TikTok keiner anderen Prozesse als seine Konkurrenten, macht aber dennoch einige Dinge „besser“ und ist entsprechend gefährlicher, wenn es um die mögliche Herausbildung einer Abhängigkeit geht.
Im Zentrum steht weiterhin die Dopaminausschüttung im Belohnungszentrum. Jedes Like versetzt uns in ein Hochgefühl, unser Gehirn badet in körpereigenen Drogen. Um denselben Effekt zu erreichen, müssen wir mit der Zeit die Dosis steigern – in diesem Fall also die Bildschirmzeit verlängern.
Um aus einer TikTok-Abhängigkeit wieder herauszufinden, empfehlen sich die gleichen Ansätze wie bei jeder anderen Art von Onlinesucht.
Besonders wichtig sind Bewusstseinsbildung, technische Sperren und Einschränkungen, ein Digital Detox und – all das wird in unserer Anleitung genauer erklärt. Mit unserer Anleitung kannst du bereits vieles erreichen und die Handsyucht sofort, alleine bekämpfen.
Quellen:
- Buch: Handysucht überwinden – ISBN 9783384133885 – Matthias Wiesmeier

Matthias Wiesmeier ist selbständiger Webdesigner und Autor seit 2006. Seine Themen umfassen Sport, Psychologie und Gesundheit. Autor vom Selbsthilfe Buch "Handysucht überwinden".